02.07.2010

Die Verhindererin

In einem Hallenbad saß, seitdem es gebaut worden war, eine Frau. Kinder, die dort einst baden waren, kehrten später zurück als Eltern von Kindern mit diesen Kindern und fanden, dass es nicht mehr gut genug sei und zu alt. Doch noch immer saß die Frau in dem Bad und saß. Sie saß im Flur der Männerumkleide, sie saß dort beruflich. Wann immer ein Junge spie, wann immer einer rauchte auf dem Flur, was er nicht durfte, wann immer etwas geschah, was man nicht haben wollte in dem Bad, musste die Frau eingreifen.

Deshalb saß sie an einem Tisch am Ende des Flures. Und weil sie dort saß und alle sie sahen, geschah nichts, was nicht erlaubt war. Sie saß dort, hatte einige Hefte auf dem Tische liegen, zum Zeitvertreib, weil doch nichts geschah, seit Jahren nichts geschehen war. Ihre Beine hatte sie übereinander geklemmt. Der Kittel sperrte die Beine ein, zurrte die ganze Frau an sich selbst fest, an dem Tisch, von dem aus sie sah, das nichts geschah.

Dann und wann kam ein Mann aus der Dusche, nur halbumschürzt. Und so manchem war nach einem Streich, etwas zu tun, was nicht erlaubt war in dem Bad, zu rauchen vielleicht, wenn er nur vorher sich ausgedacht hätte, wie er den Tabak trocken halten könnte, denn bevor man schwimmt, hat man doch keine Lust zu rauchen. Aber etwas anderes zu tun, nur die Frau anzustacheln aufzustehen, sich abzuzurren von dem Tisch und von sich selbst. Aber sollte er dann fliehen? Sollte sie ihn hetzen durch Aberdutzende Kabinen, daß er noch seinen Schurz verlöre? Sollte sie nach ihm grätschen?

So geschah nichts, nie etwas. Es lagen die Hefte auf dem Tisch. Und sie hielt sich an dem Appetit fest auf das, was sie sich am Abend daheim zubereiten würde in einer Spezialpfanne. Sie hielt sich fest an dem Gedanken, daß die Lichter ausgehen würden auf dem Flur über Weihnachten und daß niemand etwas tun könnte, was nicht erlaubt war, selbst wenn sie nicht da wäre, um es zu verhindern. Sie hielt sich fest an insgesamt fünf Dingen.

Dann, eines Abends auf dem Weg aus dem Flur, stach es sie ins Herz so feste, dass sie starb. Ihr Körper fiel in das Wasser, das von all der Männer Körpern abgeflossen war. Allmählich sog sich ihr Kittel voll. Es sah unschön aus. Niemand war da, es zu verhindern. Denn es gab keinen zweiten Tisch und keine zweite Frau. Die Schwimmer hätten reklamiert.