24.06.2013

Sonntagmorgen

Im Pfarrhaus bleibt die alte Katze im Sprung am Fensterrahmen hängen und bricht sich das Rückgrat. Die Kinder des Pfarrers rennen in die Kirche. »Die Katze stirbt!«, schreit der Sohn in die Predigt hinein. »Vorne lebt sie noch, hinten ist sie schon tot!«
Der Dreiviertelmensch.

19.06.2013

»Great stones they lay upon his chest until he plead aye or nay. They say he give them but two words. ›More weight,‹ he says. And died.«

(Arthur Miller, »The Crucible«)

18.06.2013

Über mehr als fünfzehn Meter auf jemanden zugehen, auf einem gekiesten Weg, ohne dass es ihn beklemmt, ohne dass die Sekunden zu Minuten werden, bis er den Blick nicht mehr hält – das muss man können, und er konnte es: raschen, aber nicht hastigen Schrittes, gerade, mit heiterem Gesicht, der Versuchung widerstehend, ein Blatt vom Strauch zu reißen, schon zum Handschlag bereit, das erste Wort auf den Lippen, so dass man es beinah hören kann, wie geht es Ihnen, mein Lieber? Gut sehen Sie aus. Er konnte es. Und dann ging er doch nur an mir vorbei, als hätte er mich nicht erkannt.

11.06.2013

Ich habe mir beim Kartoffelschälen ins Herz geschnitten.

07.06.2013

Ein Mann schlägt seine Frau zusammen, weil er nicht weiß, wie man weint.
»Chapter One: we didn't really get along.
Chapter Two: I think I fell in love with you.«

(Elvis Costello)
Der einstmals reiche, jetzt mittellose Fabrikant: Er hat zwar kein Auto mehr, aber noch seinen Chauffeur. Sie gehen spazieren.

06.06.2013

Durchreise

Am Bahnhof von Osnabrück riecht es nach traurigem Tier.
Es schneit Salz, den ganzen Tag schon, die Hunde bellen in die Hecke, und die Alte hinterm Christstern kocht Steine für die Enkel. Der letzte Bus fort von hier fuhr heute Morgen um 7:23 Uhr.
Ein Hund bellt, weil er nicht weiß, wie man weint.

04.06.2013

Die Sorge des ein Loch in der Wand Betrachtenden

Wenn wirklich im nächsten Moment aus dem Loch in der Wand ein Tier von der Größe einer Maus treten würde, das aber zu meinem Entsetzen wie ein Schwein aussieht und grunzt und mir grunzend befiehlt, was ich tun soll, mich hinausschickt auf den Weg, wen auch immer um unselige Dinge anzugehen, ihm Schnaps zu beschaffen, den es in seinen fliederfarbenen Wanst laufen lassen will, sich danach auf den Vorleger erbrechen, auf dem ich an hohen Feiertagen zu liegen pflege, und sowie ich zurückkehre, mich zwingt, vor ihm zu tanzen einen peinlichen Tanz ohne Musik, bis ich nach Luft schnappe und es anflehe, es möge mir erlauben, einen Schluck Wasser nehmen zu dürfen, es dies mir aber abschlägt und feist sich purzelt vor dem Loch, das ich beizeiten hätte zunageln sollen, in Gottes Namen hätte zunageln sollen! - doch was denk denn ich, es ist zu spät, wenn es mir grunzend all dies schon befiehlt und mich aufscheucht, dass ich mich nicht besinnen kann, es nach mir schreit, in mein Gemach dringt in der Nacht, wo ich doch aus Angst, es könnte eben so eindringen, im Bett nur sitze und nach jedem Geräusch aus dem Zimmer neben mir lausche, in dem das Loch in der Wand ist, aus dem es einst kam, das nun ihm gehört ganz und gar, in das ich ihm eilig bringe, wonach es verlangt, und aus dem heraus es seine Macht ausbreiten wird auf all meine Zimmer bis in den Treppenflur hinaus, dass ich nicht mehr entkommen kann, für immer sein Diener, ihm treu zu sein durch alle Tage, kurz nach ihm, sollte ich seinen Tod erleben, zu sterben an Schwäche und meine Wünsche zu vergessen, nicht einen zu behalten, dann würde ich mir mit diesem Blatt die Kehle durchschneiden.

03.06.2013

Kind: »Ich kann doch nicht wahr sein!«
Er fand ihn gegangen vor.
Die Kinder schlafen schon –
sie sind zu dumm
für die Kirmes.
Das Jahr der drei Februare.
Lynx Lynx,
rechts.

»Es ist Sommer geworden gegen meinen Willen.«

(Wolfgang Herrndorf)