27.09.2011

Das metallene Herz
weiß nicht, was es denken soll.

So untergehen

Der schon Verwahrloste bemerkt an sich selbst die sein Leben hindurch immer noch voranschreitende Verwahrlosung. Er ekelt sich, fühlt die Steife seiner Haare, sieht die zugleich tatzen- wie krallenhaft werdenden Hände, er riecht den Geruch, der zunimmt wie die Gewöhnung an das Schlafen in halbfeuchten Pfützen und das Fressen von Zigaretten.

Er findet sich ab mit dem gleichermaßen jetzigen wie unentrinnbaren Leben. Doch der Ekel vor sich selbst bleibt in ihm, gemahnt an etwas Früheres, lange Zeit Zurückliegendes, Besseres und für immer Vergangenes, ein Ekel ist es, eine Sehnsucht nach sich selbst als Knaben, duftend nach Sonne und Haut und ein bisschen Restschlaf in einem Bettchen.

25.09.2011

Im November 1918 ertranken John Bauer, seine Frau und der dreijährige Sohn Bengt auf dem Vättersee bei einer Fahrt mit dem Kanalboot Per Brahe.

Über die Situation, über den Bahnsteig, über sich selbst und ihn

Durch den Tunnel, der gelb leuchtete im Schein seiner eigenen Lampen, ein paar Stufen hinauf auf den Bahnsteig gingen zwei Menschen im Gespräch. Es drehte sich um den Abend, der nun zurücklag. Es habe gestimmt zwischen ihnen, das sagte er, und sie nickte, ganz so, als wenn sie es wirklich meinte.

Noch hielt er ein Stück Gepäck in der Hand. Doch beide wussten, dass der Zug einfahren, sie allein einsteigen und das Stück Gepäck dann an sich nehmen würde. Der Zug würde anfahren, bald, bald, endlich davonfahren. »Man kann mit einem Satz nicht sagen, was man mit einem Satz nicht sagen kann«, dachte er.

Ein dunkler Zug rauschte heran, zu schnell, um zu halten. So schnell raste er am Gleis, an ihm und ihr vorüber, so dunkel, dass er Angst verspürte. Sie sah dem Zug nach. Kühn stand sie da im zerzausenden Fahrtwind, als bestünde sie aus einer erlauchten Substanz. Das wusste sie auch und war plötzlich ein wenig erhaben über die Situation, den Bahnsteig, über sich selbst und ihn.

Sie ahnte früh, dass ihr Zug nun kommen würde. Sie öffnete ihre Arme, er schlüpfte hinein. Dort ahnte auch er: Der Zug würde kommen. Von fern nahten riesige Lampen, nahte der Zug. Er schmuste sie. Sie sah dem Zug entgegen.

Dann lösten sie sich von einander. Schon stand sie im Zug. Er sah die Türen sich schließen. Er winkte, der Zug fuhr an und langsam schneller und davon.

Aus dem sich entfernenden Fenster sah sie, wie er sich zum Gehen wandte, und sah gerade noch, wie er zu humpeln begann, das eine Bein ganz steif setzte und dann umfiel wie ein Stuhl.

»Wie ein Stuhl ist er umgefallen«, dachte sie, und rasch, hinter Mantelschößen lächelnd, schlief sie ein.
Blue smoke will take a very violent flight.

23.09.2011

Wenn ich schon mit dem Leben bezahlen muss,
gebe ich nicht auch noch Trinkgeld.

22.09.2011

Mein Haus ist dein Haus

Die Herren, die Harmlosen
Die Starken, die Müden
Die Glücklichen, die Betrübten
Die Entsetzlichen, die Gütigen
Die Geborenen, die Sterbenden

Leben allesamt in Häusern
unter denen
die Ratten
immer nur Ratten sind.
Be true 'cause they'll lock you up in a sad sad zoo.
Lasst Gott in Ruhe.
Er ist neu hier.

19.09.2011

»Send me dead flowers every morning
Send me dead flowers by the mail
Send me dead flowers to my wedding.«

(Townes van Zandt)

18.09.2011

Ich bin nicht da.
»Wir sind Schwestern«, sagte sie.
»Und das werden wir immer bleiben.«
»Warum gibt es Schlaf, Vater?«

»Damit du aufwachst«, sagte er,
»und denken kannst, du hättest den Tod überlebt.«

17.09.2011

14.09.2011

Das Reh verzeiht dem Jäger.
Das verzeiht der Jäger dem Reh nicht.

Wunsch, Indianer zu werden

»Wenn man doch ein Indianer wäre, gleich bereit, und auf dem rennenden Pferde, schief in der Luft, immer wieder kurz erzitterte über dem zitternden Boden, bis man die Sporen ließ, denn es gab keine Sporen, bis man die Zügel wegwarf, denn es gab keine Zügel, und kaum das Land vor sich als glatt gemähte Heide sah, schon ohne Pferdehals und Pferdekopf.«

(Franz Kafka)
Niemandes Niemand.

12.09.2011

Er kam ein Jahr zu spät zu seiner eigenen Geburtstagsfeier.

11.09.2011

Eberhard

Ick jeh nich badn. Nee!
Wenn die dit zu Hause mitkriejn,
is der Teufel los.

Eima war ick badn: dahintn!
Zu DDR-Zeiten noch.
Da wär ick fas'...

Jetz' hängt da n Schild:
»Hunde - Badn vabotn!«

11. September 2001

»Zwei böse Flugzeuge sind in Teile zerbrochen.«

(Kind aus New York, damals vier Jahre alt)

10.09.2011

And Sodom, South Georgia, sleeps like a bucket of snow.
Menschen fallen wüst. Wie Dörfer. Und bald sind sie verschwunden, nur ein etwas schief gewachsener Baum erinnert noch an sie.

04.09.2011

Mit einem lachenden und einem eiternden Auge.
Aus dem Wald klingen Stimmen, die niemand hört, klingt also nichts.


(Leander Pöhls)

02.09.2011

»Die Sonne schien, da sie keine andere Wahl hatte, auf nichts Neues.«

(Samuel Beckett)

01.09.2011

»Es ist ein Menschenleben«, sagte der Hund.

Draußen regnet es,
drinnen auch.

The Act

There were the roses, in the rain.
Don’t cut them, I pleaded.
They won’t last, she said.
But they’re so beautiful where they are.
Agh, we were all beautiful once, she said,
and cut them and gave them to me in my hand.

(William Carlos Williams)