19.03.2011

Das Haus, die Zeit, die Leute

Heute um zehn begann der 82. Frühling,
den dieses Haus erleben wird.
82 Winter schon stecken
kalt in seinen Knochen.

Es weint nicht mehr, hat nie geweint,
denken die Leute, die in ihm wohnen,
weil sie es nicht weinen hören,
nur ächzen, wenn die Wetter wechseln.

So viele von ihnen sind in ihm gestorben,
Wand an Wand mit den Lebenden,
nachts, tags, wie viele, das weiß es nicht.
Das Haus kann sie nicht zählen.

Die Zeit vergeht schnell, so schnell,
dass die Leute sie nicht sehen –
und umgekehrt: Die Zeit sieht sie nicht.
Sie vergeht in Stürmen.

Es lohnt sich nicht, denken sie,
denkt auch die Zeit: Es lohnt sich nicht.
Nur das Haus, es bleibt und wartet,
ohne zu warten. Es dauert. Wie lange noch?

Die Vögel, die Nester, das Moos, der Regen,
der nach Osten zog, in die Steppe,
an 4000 Montagnachmittagen.
Wo sind sie geblieben? Wer sammelt sie?

Da steht es, das Haus, seit 82 Wintern,
in einer Halle ohne Wände und Dach.
Wo ist Gott? Wo sind die Vögel?
Was ist Frühling? Was ist Winter?

Heute um 10 begann irgendwas.
Es ist egal.