08.07.2011

Am Irgendwasrand

Irgendwer steht am Waldesrand, gekommen von irgendwoher. Er kann nicht mehr, er weiß, er kann nicht mehr. Seine Schultern dampfen von Schweiß unter dem wollenen Pullunder, das Gesicht ist so rot und pocht, dass er weiß, er kann nicht mehr. Mehr weiß er nicht. Die Kälte schneidet seine Lungen. Der Wald liegt hinter ihm ihn tiefgrüner Ruh.

Hindurch ist er gerannt, verzweifelt durch viele Meilen Wald, ist schreiend über Äste hingefallen. Hat sich wieder hochgerappelt, ist weiter gerannt, wie blind im hellen Wald. Der Wald, so still, hat nur sein Keuchen je gehört. Die Beine immer steifer, hat er gehumpelt vor Angst, fast gelacht, gedacht, er stirbt.

Ist er verfolgt worden? Sucht man ihn? Ein Tier? Was hetzt ihn nur, wo er nun steht und weint und weiß, er kann nicht mehr, wird nie mehr können, im Kopf vor allem nicht? Denn was er sah hat den Kopf ruiniert, fürs Leben ruiniert.

Er sah eine Frau mit einem Kind, kaum ein Jahr, in einer Kirche am anderen Waldesrand. Er sah das Kind im Arm der Mutter traurig werden und sah, dass die Mutter es merkte. Das Kind begann zu weinen, weinte, wann immer es still war. Es weinte entzündet, er sah, dass es entzündet weinte. Es weinte bis unter die Balken des Daches, weinte so, dass es in den Köpfen schmerzte, dass bald ein Ton da war, der schwang ohn Unterlass.

Da hielt die Mutter die Hand drauf. Und er sah, wie die Händchen sich wehrten, sich wehrten so lang. Bald sah er die Händchen sinken und müde sich schließen. Sie fielen zusammen wie zum Gebet.

Da sprang er auf und rannte, rannte hinein in den Wald. Rannte und schrie und fiel und rannte. Rannte den Wald hindurch, so in Furcht vor allem und jedem, dass er nun weiß, er kann nicht mehr, wird nie mehr können. Seine Schultern dampfen von Schweiß unter dem wollenen Pullunder, das Gesicht ist so rot und pocht, und etwas Blut tritt aus seinem Mund ins weiße Licht eines nicht lang vergangnen Morgens.